Pressespiegel
»Jornal O Nacional« des Bundeslandes
Rio Grande do Sul, Kulturseite, Wochenendausgabe 14./15. August
2004
Deutsche Übersetzung Wobbeke Klare
»Brasilien, Deutschland – Zwei Realitäten,
ein Dokumentarfilm«
Es gibt viele Bilder und Vorstellungen auf der Welt, die die
Zeit langsam formt, wenn vorgefertigte Klischees nur lange genug
einwirken.
So haben sich zum Beispiel bestimmte Meinungen über Brasilien
und Deutschland eingegraben. Der zweite Weltkrieg hat das Bild des kalten Deutschen befördert,
der immer eine merkwürdig brutale Sprache spricht, wohlbehäbig
und – wer weiß – im Innersten voller Nazi-Tendenzen.
Als Carmem Miranda mit der berühmten Ananas auf dem Kopf in
Hollywood einzog, hat sie zum Stereotypen der Samba tanzenden Brasilianerin
beigetragen, mit immer knapperen Kleidern im Verlauf der Jahre.
Die Ananas ging dann irgendwann verloren. Niemand weiß wo,
und niemand weiß warum.
Der Schriftsteller und Filmemacher Zé do Rock möchte
genau das Gegenteil dieser Klischees zeigen. Deshalb dreht er einen
Dokumentarfilm über die beiden Länder: Schroeder liegt
in Brasilien.
Zé do Rock, der seit mehr als zwanzig Jahren in München
lebt, ist ein Sprach-Virtuose. Mit Humor und Kreativität hat
er drei Bücher geschrieben und dabei die Kunst der gesprochenen
und geschriebenen deutschen Sprache neu erfunden. Selbst ein Studienobjekt
einheimischer Philologen, nimmt Zé häufig an Diskussionsrunden über
sein sogenanntes »Ultra-Deutsch« teil – Zés
Vorschlag für eine Sprachreform in unserem Land.
Vor allem anderen aber ist Zé ein Brasilianer, der im Ausland
lebt, und der sein Heimatland nicht vergessen hat.
Er ist ein Gaucho, ein Cowboy aus Porto Alegre, aber er hat auch
in São Paulo gewohnt. Um sich zum Muster-Brasilianer zu
machen, hat er als Pseudonym den Namen »Zé« angenommen,
typisch für den Nordosten Brasiliens – »Zé do
Rock«, wie die Figur aus einem Lied des brasilianischen Akkordeonisten
Dominguinhos. Seinen wahren Namen hat Zé regelrecht ausgemerzt:
Sogar vom Klingelschild seiner Wohnung in München hat er ihn
gestrichen, obwohl vorgeschrieben ist, dort den wirklichen Namen
einzutragen. »Der Postbote hat heute keine Probleme mehr
damit“«, sagt Zé.
Das andere Brasilien, das andere Deutschland und das Geschenk
von Dom Pedro
Aus den Klischees über Brasilien und Deutschland entstand
die Idee, einen Dokumentarfilm zu drehen, der anders als alle seine
Vorgänger sein sollte. Das Brasilien des Samba, des Karnevals,
der Gewalt und der Kriminalität, das Brasilien der Ungerechtigkeiten?
Kann sein. Aber ist Brasilien nichts als dies? Ein Dritte-Welt-Land
oder auch »Schwellenland«, wie man so blumig sagt,
aber gibt es nicht auch die andere Seite? Was ist mit dem aufstrebenden
Süden, und was mit dem armen, aber schönen Nordosten,
wo man auch unter den Elendsten einige zufrieden Gesichter finden
wird?
Lassen wir mal die politischen Leidenschaften beiseite (wer hat
nicht seine eigenen Meinungen?), lassen wir mal die Skandale beiseite
(über welches Volk gibt es keine zu berichten?)! Auch wenn
Brasilien ein ungerechtes Land ist: Haben wir etwa nicht einen
Präsidenten, der aus einer der ärmsten Gegenden des Landes
kommt, dessen Wahl ein Fest der Demokratie war, wie es größer
kaum eines im Westen gegeben hat? Ist das etwa nichts wert?
Und das blühende reiche Deutschland? Was sagen die Armen (jawohl,
die Armen) dort? Das Bild des mechanisierten, ordnungsliebenden
Landes, passt das zu denen, die unter einer Brücke wohnen?
Und was sagen die Brasilianer, die dort leben? Letztendlich sind
viele der im Ausland lebenden Brasilianer die neuen Armutsflüchtlinge
aus Brasiliens Nordosten. Statt wie früher auf Lastwagen und
in Bussen nach São Paulo zu rollen, landen sie jetzt auf
den Flughäfen der Welt – zu Hunderten, zu Tausenden
im Laufe der Jahre.
Das Heimweh überfällt sie hin und wieder. Inêz
Hiltrop, brasilianische Übersetzerin und Mitarbeiterin bei
diesem Projekt, bringt es auf den Punkt: »Ein Brasilianer,
der kein Heimweh nach Brasilien hat, lügt entweder, oder er
hat Brasilien nie verlassen.«
Während der deutsche Kanzler Schröder gegen die Stagnation
in seinem Land kämpft, ist der südbrasilianische Ort
mit dem gleichen Namen – Schroeder – auf seine Weise
glücklich und zufrieden. Mit dem Leben und mit Brasilien.
Auch ohne die sozialen Privilegien und die Vorteile des Wohlstandes
in der »Ersten Welt«. Die Einwohner sind hauptsächlich
Nachkommen deutscher Siedler – eine Verwandtschaft, die den
wenigsten Deutschen bekannt sein dürfte. Und das ist nicht
die einzige vergessene Vergangenheit, an die der Film erinnern
möchte: Kaum einer unter den Passanten in der »Kaiser-Pedro-Straße« in München etwa ist sich wohl bewusst, dass diese Straße
nach dem damaligen brasilianischen Kaiser benannt wurde, zum Dank
für ein Waisenhaus, das dieser der Stadt gestiftet hatte,
damals, als das imperialistische Brasilien sich noch den Luxus
leisten konnte, wohltätig, zu sein. Ironien der Geschichte,
oder?
Internationale Freiwilligenarbeit voller Engagement – Dreharbeiten
in Deutschland abgeschlossen.
Wenn man all dies bedenkt, bleibt die Frage: Ist es nicht endlich
Zeit, dass die Brasilianer ihren Schmuddelkinder-Komplex überwinden,
diese Wehleidigkeit, personifiziert durch unseren nationalen Autor
Nelson Rodrigues? Sind wir etwa blind für unseren eigenen
Wert?
Blonde Jugendliche, seien sie aus Deutschland oder aus England,
tragen T-Shirts mit Brasilien-Aufdruck, laufen auf Flip-Flops durch
Europa und hören brasilianische Musik. Ist das nicht ein Zeichen
der Zeit?
Der Film ist die Gemeinschaftsproduktion einer Gruppe von Leuten,
die – genau wie Zé – an Brasilien glauben und
es bewundern. Da ist zum Beispiel der Kameramann Christoph Konrad,
der den Komfort seines Hauses und die Sicherheit seiner Anstellung
in München verlassen hat, um in das Projekt einzusteigen.
Oder der junge Franzose Hugues Lefevre, der in Paris aufgewachsen
ist und jetzt in Köln wohnt: Wenn ihm etwas über den
Weg läuft, das mit Brasilien zu tun hat, dann hört und
sieht er nichts anderes mehr. Lefevre moderiert das größte
deutsch-brasilianische Diskussionsforum im Internet mit mehr als
sechshundert Teilnehmern. Er ist Co-Produzent und einer der größten
Fans und Förderer des Films. Außerdem gehören Deutsche
zu dem Team sowie Brasilianer und Brasilianerinnen, die in Deutschland
oder Brasilien wohnen. Die Dreharbeiten in Deutschland wurden in
der vergangenen Woche abgeschlossen.
Mittwoch, den 11.08.2004 – Filmaufnahmen in São
Paulo
»Schroeder liegt in Brasilien« ist ein Low-Budget-Film – wie
könnte es auch anders sein – und wird von ABKNet unterstützt.
Der Erfolg der Dreharbeiten wird in beträchtlichem Maße
von der Öffentlichkeitsarbeit und von der Unterstützung
durch die Kollegen in der brasilianischen Presse abhängen.
Wir sind sicher dass all die Hilfe, die wir während der acht
Jahre Online-Zeit bekommen haben, auch jetzt nicht fehlen wird. Über
die Reiseroute des Teams, den jeweils aktuellen Aufenthaltsort
und den Fortgang der Dreharbeiten werden wir an dieser Stelle berichten.
Für Kontakte und Informationen haben wir eine eigene Emailadresse
eingerichtet.
Am vergangen Mittwochabend hat das Drehteam bereits im Restaurant
Buttina in S. Paulo ein Interview mit der brasilianischen Sängerin
Suzana Salles geführt. Sie ist als Interpretin der Lieder
von Bertold Brecht / Kurt Weill bekannt – eine Spezialisierung,
die selbst im Heimatland des Dichters selten ist. Eine brasilianische
Spezialität.
Fotos von den Dreharbeiten in Deutschland werden wir hier zur
Veröffentlichung
online stellen. Später wird hier auch der Vorstellungstext
des Regisseurs Zé do Rock stehen. Die Filmpremiere wird
voraussichtlich im kommenden Dezember oder Januar stattfinden.
|